Pressemeldung anlässlich der Diskussion um die Zwangsheirat

Institut für Islamfragen

Zwangsheirat stellt schwere Menschenrechtsverletzung dar

B O N N (28. März 2006) – Immer wieder kommt es vor, dass muslimische Frauen vor allem türkischer und kurdischer Abstammung, die in Deutschland aufgewachsen sind, ganz plötzlich in ihr Heimatland zurück geholt und dort zwangsverheiratet werden. In Deutschland regt sich zunehmend Widerstand gegen diese Praxis. Vorreiter der Gesetzesinitiative gegen die Zwangsheirat ist Baden-Württemberg. Das Verwaltungsgericht Stuttgart entschied am 23. Januar 2006 (A 11 K 13008/04), dass eine iranische Asylbewerberin nicht ohne Weiteres in ihr Heimatland zurückgeschickt werden könne, nachdem sie dort von ihrem Ehemann misshandelt worden war. Im Juli 2003 hatten ihre Eltern sie gegen ihren Willen mit dem 50 Jahre alten Freund ihres Vaters verheiratet. „Die Zwangsheirat ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Sie steht in krassem Widerspruch zum Recht auf freie Entfaltung und ist ein Verstoß gegen die sexuelle Selbstbestimmung“, erklärte die Islamwissenschaftlerin Dr. Christine Schirrmacher vom Institut für Islamfragen.

Auch Schweigen oder Weinen der Frau gilt als Zustimmung

Die Tradition der von den Eltern arrangierten Ehe spielt in vielen islamischen Familien bis heute eine große Rolle, besonders wenn die Familien vom Land stammen. Die Verheiratung soll gemäß einer Überlieferung zwar nicht gegen den Willen der Tochter geschehen. Jedoch kann bereits ihr Schweigen, Lachen oder sogar Weinen als Zustimmung ausgelegt werden. Das Mitspracherecht der Tochter im Vorfeld der Heirat variiert je nach Lebensverhältnissen – es ist z. B. in der Stadt weit größer als auf dem Land –, Umfeld und religiöser Prägung der Familie.

Unter muslimischen Gelehrten ist es umstritten, ob eine Frau vom Vater zur Ehe gezwungen werden darf. Während die hanafitische Rechtsschule eine Eheschließung gegen den Willen der Frau ablehnt, betonen Malikiten, Schafiiten und Hanbaliten das Recht des Vaters, seine Tochter auch gegen ihre Zustimmung zu verheiraten.

Der gesellschaftliche Druck verbietet eine zweite oder dritte Weigerung

Die offizielle Rechtslage in vielen islamischen Ländern gesteht der Tochter jedoch ein Vetorecht gegen ihre Verheiratung zu. Die entsprechenden Familiengesetze im Irak und Jemen sowie in Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien und den Vereinigten Arabischen Emiraten werden in der Praxis allerdings oft übergangen. Auch wenn das Mädchen die Heirat mit dem ersten Bewerber noch erfolgreich ablehnen kann, wird sie sich kaum gegen einen zweiten oder dritten Bewerber aussprechen können. Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck, der ihr eine allzu selbstbestimmte Haltung verbietet. Die Familien fürchten, dass die Weigerung dem Ruf der Familie schadet.

Im Islam ist die Familie wichtiger als der Einzelne

Die arrangierte Ehe geht auf die enorme Bedeutung der Familie im Islam und das Bestimmungsrecht des Mannes bzw. Familienvaters über die Frau zurück. Der Vorrang der Familie und der Familienehre ist in islamischen bzw. nahöstlichen Kulturen wichtiger als das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Dabei lernen die Töchter ihren „Auserwählten“ oft erst in der Eheanbahnungsphase kennen. In manchen Fällen werden die Töchter bereits in Kindheitsjahren versprochen, oft einem Mann aus der Verwandtschaft. Von der Ehe mit dem Cousin versprechen sich beide Familien Vorteile. Auf diese Weise können die Chancen auf eine gelingende Ehe besser abgeschätzt, das Vermögen der Brautgabe erhalten und im Konfliktfall mehr Einfluss auf die Familie des Ehepartners genommen werden.

Altergrenze für Verheiratung wurde in letzten Jahren angehoben

Die Altersgrenze hat sich in den letzten Jahrzehnten nach oben verschoben. Mohammed selbst heiratete seine „Lieblingsfrau“ Aischa nach überwiegender muslimischer Auffassung, als sie sechs Jahre alt war und vollzog das erste Mal die Ehe mit ihr, als sie neun war. Mohammed selbst war zu dieser Zeit etwa 50 Jahre alt. Lange Zeit konnte ein Mädchen daher bereits mit neun Jahren verheiratet werden. Der Iran hat das gesetzliche Heiratsalter für Mädchen kürzlich auf 10 Jahre angehoben. Die meisten islamischen Länder schreiben heute ein Mindestalter von 14 bis 16 Jahren für Mädchen und 16 bis 18 Jahren für Jungen vor.