Filmaufnahmen aus der Stadt Raqqa in Syrien

Institut für Islamfragen

Augenzeugin dokumentiert Hinrichtungen, Drohungen und Einschüchterungen der Bevölkerung durch IS-Kämpfer

(Institut für Islamfragen, dh, 11.03.2016) Eine Syrerin aus Raqqa hat 2014 den im Folgenden beschriebenen, beispiellosen Film über das Leben in dieser Stadt unter der Herrschaft der Terrororganisation „IS“ mit einer versteckten Kamera aufgenommen. Der Film wurde u. a. von dem Fernsehsender „France 24“ im Jahr 2014 veröffentlicht.

Der Moderator:

„Wir werden Ihnen einen Film zeigen, den uns eine Syrerin zur Verfügung gestellt hat. Diese Frau ist in ihre Heimatstadt Raqqa zurückgekehrt, die unter der Herrschaft des IS steht. Sie hat mit versteckter Kamera das Leben dort aufgezeichnet. Das Leben dort ist ganz überwiegend düster. Ihre Kollegin Jana Saleh hat die Bilder zusammengestellt und den folgenden Bericht vorbereitet.“

Frau Saleh:

„‚Rasan‘ ist das Pseudonym der Syrerin, die noch keine 25 Jahre alt ist. Die Kriegsnöte in ihrer Heimat zwangen sie zur Flucht. Danach kehrte sie in ihre Heimat zurück, nach Raqqa, der Stadt im Griff des IS. Rasan kleidete sich in schwarz und machte sich auf einen riskanten Weg.“

Rasan (In kritischem Ton):

„Ich musste in diesem Outfit meine Stadt betreten. (Sie macht aus dem Auto heraus ihre Aufnahmen und kommentiert sie) Ich habe in meine kleine Handtasche ein Loch gemacht und sie mit einer Musterung versehen, um die Kameralinse zu verdecken. Alles was ich tue, ist für Syrien, für meine Heimat, für Raqqa. Ich habe kein Mittel, mit dem ich (gegen den IS) kämpfen kann, außer mit der Kamera.“

Frau Saleh:

„Die Kamera ist ihre Waffe und der Schleier ist ihr Schutz (vor dem IS). Rasan hat ihre Reise von der Türkei aus gestartet. Sie ist über Land in ihre Stadt gefahren. Eines Tages hat Rasan (zu Beginn der jetzigen Ereignisse in Syrien) geschrieben: ‚Das Volk möchte das (syrische) Regime stürzen!‘ Das Regime ist in Raqqa gestürzt worden und Raqqa wurde dann die Hauptstadt des IS. Im Februar 2014 erreichte Rasan diese Stadt und ging in den Straßen spazieren, um die Veränderungen in dieser Stadt aufzuzeichnen. Auf den ersten Blick sieht das Leben hier normal und monoton aus. Die Menschen sind auf den Märkten unterwegs. Die Anhänger des IS gehen mit sicheren Schritten, denn sie sind jetzt die Herrscher der Ortschaft.“

Rasan:

„Die Stadt und ihre Umgebung sind voll von den (IS) Quartieren, wie z. B. das Gebäude des Rathauses, die Bischara-Kirche (Die Botschaftskirche), das Schloss des Bürgermeisters, das er (der IS) in sein eigenes Krankenhaus und Quartier umwandelt hat, und die touristischen Reisebusse. Sie (die IS-Anhänger) haben mehr als einhundert Häuser, deren Besitzer aus der Stadt geflüchtet sind, zu ihren Zentren gemacht.“

Frau Saleh:

„Die IS-Organisation hat die Organisation des Alltags in Raqqa übernommen. Sie hat alles unter ihre Herrschaft gebracht, vom Straßenverkehr bis zu den Bäckereien, damit sie den Bewohnern dieser Stadt zeigt, dass sie (der IS) ein Staat ist.“

Rasan:

„Zum Schluss traten deren Anhänger sehr groß auf. 10, 15 oder 20 von gingen immer zusammen. Sie patrouillierten und betraten die Geschäfte, so z. B. ein Mitglied des IS mit seiner Ehefrau und Tochter … Sie gingen in Bekleidungsgeschäfte, wo sie gekauft haben und mit Geld bezahlt haben. Sie haben im Blick auf die Preise nicht gehandelt. Was die Gehälter der Fremden betrifft (der ausländischen Kämpfern des IS), verdient jeder von ihnen, soweit ich weiß, 1.200 US$. Falls seine Ehefrau etwa so viel oder etwas weniger verdient, wäre dies ein luxuriöses Leben. Die Gehälter der Ausländer sind hoch, 400 US $ in Syrien … “

Frau Saleh:

„Frauen gehen in ar-Raqqa mit schwarzem Gesichtsschleier aus, zu dessen Tragen sie mit Druck und Schikane gezwungen wurden. Die Straßen sind für die Verrichtung der (muslimischen) Gebeten zu öffentlichen Orten geworden. Einige beten freiwillig, andere tun dies aus lauter Angst vor dem IS.“

Rasan:

„Ich habe die Angst (in den Augen der Menschen) gesehen. Die Menschen schauen ziellos umher. Keiner von ihnen weiß, was geschieht. Was sie wissen, ist, dass es permanent neue Gesetze gibt, die sie einhalten, aber keiner weiß, in welche Richtung alles läuft. Schreckliche Angst herrschte überall: Unter den Kindern, unter jungen und älteren Menschen, unter denjenigen, die vor einer Bäckerei (Schlange stehen und auf Brot) warten, überall. Die Zahl der Beter auf öffentlichen Straßen hat sich erhöht. Wie es wahrscheinlich in der Aufnahme zu sehen ist, hört man, wie die Geschäfte geschlossen werden, sobald der Ruf zum Gebet erschallt (In der im Hintergrund gezeigten Videoaufnahme ist erkennbar, wie ein IS-Kämpfer vor einer Metzgerei steht, den Metzger anspricht, und schließlich, wie der Metzger das zum Verkauf angebotene Fleisch in einen Kühlschrank legt, um zum Beten zu gehen. Der IS-Kämpfer kommentiert dies: ‚Allah sei Dank, wir haben die Menschen nicht darauf (extra) hingewiesen. Sie tun dies mittlerweile von sich aus.‘ Ich habe ihn (den IS-Kämpfer) gefragt, was geschehen würde, wenn jemand die Gebetszeiten nicht einhalten würde. Er antwortete: ‚Sein Geschäft wird für einen Monat mit rotem Wachs gesperrt, er bleibt einen Monat in Haft, er muss eine Geldstrafe von 150.000 syrischen Lira als Bußgeld bezahlen und er wird ausgepeitscht.‘“

Frau Saleh:

„Die öffentlichen Hinrichtungen der Menschen (der Einwohner) sind eines der Mittel, das der IS eingeführt hat, um Raqqa zu verwalten.“

Rasan:

„Der IS übt Terror aus, wenn er alle paar Tage 2-3 Menschen auf einem (öffentlichen) Platz hinrichtet. Einem wird der Kopf abgeschlagen, ein anderer wird erschossen .. . Was Angst macht, ist, dass die Leute nicht erfahren, was diese (Hingerichteten) begangen haben.“

Frau Saleh:

„April 2014. Rasan kehrt zurück in die Stadt (Raqqa), um dort die Lage weiter zu dokumentieren.“

Rasan:

„Um die Stadt zu betreten, muss man durch die (IS-) Kontrolle hindurch. Ich habe die Kontrolle passiert … Ich weiß nicht, wie es mir gelungen ist, die Stadt zu betreten. Vielleicht hat da der Herr der Welten (Gott) sie (die IS-Kämpfer) blind gemacht. (Eine Videoaufnahme ist zu sehen, auf der Rasan einen IS-Kontrolleur fragt:)“Was haben wir getan, um Allah (um uns vor Allahs Strafe) zu fürchten? Nur in Raqqa tragen Frauen den Gesichtsschleier. “ Eine andere Frau sagt: „Jeder soll nach seiner Religion leben“. Rasan: „Die Frauen tragen den Gesichtsschleier nur aus Angst“. Der IS-Kontrolleur, der den Bus, in dem Rasan und die andere Frau fahren, angehalten hat, fragt, warum Rasan ihr Gesicht nicht richtig verschleiert hat. Die andere Frau antwortet: „Ich schwöre bei Allah, sie war richtig verschleiert, aber sie ist in Atemnot geraten. Deshalb habe ich ihr das Fenster nebenan geöffnet.“

Frau Saleh:

„Unterwegs überraschen Rasan die Parolen, die in der Öffentlichkeit zu sehen sind, die den IS verherrlichen. (Ironisch kommentiert sie die Filmaufnahme:) „Und hier ist ein neues Beispiel für eine vorbildliche Familie!“ (Dabei zeigt die Videoaufnahme eine vollkommen schwarz verschleierte Frau, die eine Kalaschnikow auf den Rücken trägt und ihr kleines Kind begleitet).“

Rasan:

„Mir ist ein Junge, kleiner als 1 Jahr, aufgefallen. Er war zusammen mit seiner Mutter unterwegs, die eine Waffe getragen hat, und seinem Vater, der auch eine Waffe getragen hat. Ich habe mich dabei gefragt, was wird aus diesem Kind, wenn es aufwächst? Die Familie ging in einen Park. Ich bin hinterher gegangen. Sie setzten sich und ich setzte mich ihnen gegenüber. Sobald ich das tat, hielt ein Auto (eine IS-Patrouille) im Park. Im Wagen waren zwei Personen, ein Mann und eine Frau. Rasan wurde von dem Fahrer angesprochen: ‚Schäm dich. Dein Gesicht ist nicht verschleiert. Komm her!‘“

Rasan:

„Wirklich? Tut mir leid, wahrscheinlich ist mein Gesichtsschleier durchsichtig. Verzeih mir!“

Der Fahrer:

„Ich rate dir, verschleiere dich richtig. Kauf ein besseres Kleid!“

Rasan:

„Zu Befehl. Verzeih mir, vergib mir!“

Frau Saleh:

„Rasan atmet auf, nachdem die Patrouille weggefahren ist. Der Fahrer war ein Saudi, der nach Raqqa gekommen war, um die Durchsetzung der Schari’a zu kontrollieren. Rasan sprach dann mit dieser Familie …“

Rasan:

„Ich ging zur Küche mit der Notversorgung. Dort habe ich lange Schlangen von Frauen und Kindern gesehen. Sie bringen Eimer und Kochtöpfe mit. Sie essen dort und gehen wieder heim. (Sie interviewt einige von diesen Frauen:) Rasan: Wollt ihr Essen bei der Notversorgungsstelle abholen? Eine Frau: ‚Ja‘. Rasan: ‚Was ist das?‘ Die Frau: ‚Suppe.‘ Rasan: ‚Nur Suppe?‘ Die Frau: ‚Einmal Suppe mit Brot, einmal Nudeln.‘ Rasan: ‚Gibt es jeden Tag Essen?‘ Die Frau: ‚Ja, jeden Tag.‘ Rasen: ‚Woher stammen Sie?‘ Die Frau: ‚Aus Raqqa, aus diesem Ort.‘ Rasan: ‚Seid ihr alle hierhergekommen, um Essen zu bekommen?‘ Die Frau: ‚Ja, ich schwöre bei Allah. Was sollen wir sonst tun?‘ (eine neue Aufnahme) Rasan: Am nächsten Tag betrat ich ein Internet-Cafe. Ich wollte nur über das Internet kommunizieren, nichts sonst. Als ich mich vor einen Computer gesetzt habe, kam eine der Kämpferinnen zu mir, eine Tunesierin, und sprach mich an … Bei mehreren Begegnungen, immer wenn ich eine von den (IS-Kämpferinnen) gefragt habe, aus welchem Land sie komme und warum sie hierher gekommen sei, haben diese keine Antwort gegeben. Die einzige Ausnahme war eine Frau im Internet-Cafe. Ich habe sie gefragt, woher sie komme. Sie antwortete: ‚Aus Frankreich‘ … Ich fragte sie: ‚Warum bist du hierhergekommen‘. Sie antwortete: ‚Um gegen Pascher (al-Assad) und die FSA (die Freie Syrische Armee zu kämpfen.‘ Sie teilte mir mit: ‚In zwei Tagen werde ich meine 13-jährige Tochter verheiraten. Nachdem ich meine Tochter verheiratet habe, bin ich bereit, mich (durch ein Selbstmordattentat) in die Luft zu sprengen.‘ (Es folgt eine Aufnahme von dieser Gesprächspartnerin, die mit ihrer Mutter über Internet kommuniziert:) Die IS-Kämpferin aus Frankreich sagt zu ihrer Mutter: ‚Ich habe dir doch gesagt: Hab keine Angst, weine nicht! Was du im Fernsehen siehst, ist gelogen. Soll ich dir schwören, dass es mir gut geht? Ich werde unser Videogespräch gleich unterbrechen. Ich möchte dich nicht in diesem Zustand sehen. Ich fühle mich wohl hier. Mama, das Leben hier ist gut. Ich bin glücklich. Alles ist hier vorhanden. Glaub mir!‘“

Frau Saleh:

„Es sind junge Frauen. Diese haben ihre Heimatländer verlassen und sind hierher, nach Raqqa, gekommen, um einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Die meisten von ihnen können nicht einmal Arabisch. Die letzten Statistiken zeigen, dass etwa 20% der IS-Mitglieder Ausländer sind.“

Quelle: www.youtube.com/watch?v=JtqMAGzjIHU/