Treffen der „Muslimischen Vereinigung“ in Istanbul

Institut für Islamfragen

Ehemalige Ministerpräsident sieht im Zionismus und westlichen Imperialismus eine Bedrohung für den Islam

(Institut für Islamfragen, mk, 01.06.2006) In Istanbul kamen 120 Teilnehmer aus 50 islamischen Ländern zum Treffen der „Muslimischen Vereinigung“ zusammen. Der Leiter der türkischen „Glückspartei“ (Saadet), Kutan, eröffnete die Konferenz mit den Worten:

„Die Bodenschätze der muslimischen Länder werden durch westliche Imperialisten ausgebeutet.“

Der Leiter der stark rechtsgerichteten islamischen „Milli Görüs Bewegung“ in der Türkei und frühere türkische Ministerpräsident, Necmettin Erbakan, gab zu verstehen:

„Wissenschaftliche Erkenntnisse und die Tatsachen der Geschichte zeigen, dass die einzige Rettung für die Menschheit die islamische Religion darstellt. Das islamische Volk ist das einzige, das gegen den rassistischen Imperialismus kämpft und muss deshalb eins sein.“

Er fuhr fort, dass der Westen mit seinen Unwahrheiten ein Volk darstelle, das von einem Zentrum aus regiert werde, „einem rassistischen Imperialismus, das heißt dem Zionismus“. Der Kampf ereigne sich zwischen der Wahrheit und dem Aberglauben, so Erbakan. Demnach sei dieser Imperialismus vor 5765 Jahren zur Zeit der Pharaonen durch ein Zauberbuch mit Namen „Kabbala“ (Kabbala steht für eine mystische Tradition im Judentum) entstanden. Die ursprünglich von Gott inspirierten „Fünf Bücher Mose“ seien der Kabbala angepasst und damit gefälscht worden. Diese Kabbala-Lehre habe, laut Erbakan, durch die Macht des Geldes die Welt ihrer Kontrolle unterworfen. Das sehe man an der Dollarnote mit der Pyramide als Abbild dieser Organisation.

Erbakan erklärte weiter, dass nach dem Zusammenbruch des Kommunismus der Zionismus auf dem Gipfel der Macht angelangt sei. 1990 habe Margaret Thatcher bei einer NATO-Sitzung in Schottland den Islam zum neuen Feind erklärt. Mit dieser Denkweise wolle man die ganze Welt zu Sklaven machen und habe dazu als Werkzeug das Christentum unter Kontrolle gebracht. Erbakan erinnerte an die „18 Kreuzzüge“, die heute von Europa und den USA durch die Begründung des Protestantismus und evangelikale Sekten vorangetrieben werden. Amerika wolle die ganze Welt unterwerfen und habe deshalb ein wichtiges Land wie die Türkei manipuliert, insbesondere den Sturz der 1996–1997 regierenden Refah-Partei herbeigeführt und sie gespalten. Ein Teil der früheren Refah-Partei (vermutlich ist die Regierungspartei AKP gemeint) werde nun von ihr regiert.

Dieser rassistische Imperialismus, wie Erbakan ihn nennt, umfasse mit vier Armen die Welt: Krieg-Terror-Anschläge-Waffen-Mord; Verschmutzung der Gedankenwelt: Medien-Hollywood; politische und kapitalistische Ordnung; Regierungen, Medien und Wirtschaftszweige, die mit diesen Zielen zusammenarbeiten.

Deshalb sei es wichtig, dass zuerst die D-8 Länder, dann die anderen muslimischen Länder und schließlich die 150 „unterdrückten“ Staaten der Welt gemeinsam gegen diese Unterdrückung arbeiteten. Jeden Tag, so Erbakan, würde das Blut von Tausenden von Muslimen durch den Westen verschüttet. Erbakan behauptete, dass der Westen auf hinterlistige Weise versuche, eine protestantische Variante des Islam (Reformation) einzuführen. Der Islam werde durch Zionisten als weltweite Gefahr dargestellt, wo er doch nur den Frieden gebracht habe, wo auch immer er auf der Welt hinkam. Die Welt brauche, so Erbakan, die islamische Liebe und islamische Barmherzigkeit.

Quelle: www.milligazete.com.tr/index.php; www.yeniasya.com.tr/2006/05/29/haber/h2.htm; www.esam.org.tr

Kommentar: Erbakan promovierte 1953 an der Technischen Hochschule Aachen und ist keineswegs weltfremd. Er war vom Juni 1996 bis zum Juni 1997 Ministerpräsident der Türkei. Am 30. Juni 1997 musste er auf Druck der Militärs zurücktreten, weil er mit dem Laizismus in Konflikt geriet. Erbakan muss sich z. Zt. wegen des Vorwurfs der Unterschlagung von rund 4 Mio. € vor Gericht verantworten. Der Prozess gegen den inzwischen 79-jährigen wird am 7. Juni beginnen. Seine Weltverschwörungstheorien scheinen gewagt, doch sie finden regen Anklang und Glauben in der Türkei. Geschichtlich kann man nachweisen, dass der Islam auch Unterdrückung und Sklaverei gebracht hat, ebenso wie andere Systeme. Erbakan ist offensichtlich einem antijüdischen Denken verbunden, das mit Hass auf die USA Hand in Hand geht. Ob daraus ein Segen für die Türkei entstehen kann, bleibt zu bezweifeln.

Bei der Gruppe der acht Entwicklungsländer (kurz D-8, von englisch „Developing 8 Countries“) handelt es sich um eine Gruppe von Entwicklungsländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, die sich zu einem Bündnis für wirtschaftliche Entwicklung zusammengeschlossen haben. Zu den D-8-Staaten zählen Bangladesch, Ägypten, Indonesien, Iran, Nigeria, Pakistan und die Türkei. Die Gruppe wurde am 15. Juni 1997 in Istanbul mit einer Istanbuler Erklärung offiziell gegründet.