Farben und Farbsymbolik

Prof. Dr. Christine Schirrmacher

Es gibt keine überall anerkannte, gleichermaßen gültige Bedeutung bestimmter Farben im Islam. Etliche Farben wurden in verschiedenen Epochen und in unterschiedlichen Regionen mit widersprüchlichen Bedeutungen verbunden.

Grün ist die vielleicht am eindeutigsten festgelegte Farbe, denn sie gilt allgemein als die „Farbe des Propheten“ oder die „Farbe des Islam“. Nicht zufällig besteht die Nationalflagge Saudi-Arabiens aus einem arabischen Schriftzug mit dem islamischen Glaubensbekenntnis auf grünem Grund. Auch andere islamische Länder wie z. B. Pakistan oder Libyen verwenden grün in ihrer Flagge. Grün wird auch von denjenigen Familien beansprucht, die ihre Abstammung auf Muhammad zurückführen. (Nach anderen, allerdings nicht unumstrittenen Überlieferungen wird auch Weiß in Zusammenhang mit Muhammad gebracht.) Grün ist zudem die Farbe des Paradieses. Soldaten, die z. B. im Iranisch-Irakischen Krieg 1980–88 als Djihadkämpfer in den vordersten Schlachtreihen standen, trugen grüne Stirnbänder, denn wer im Djihad stirbt, dessen Seele wird nach überwiegender islamischer Auffassung sofort ins Paradies eingehen. Grün findet auch häufig in Moscheen, z. B. für einen Vorhang, Verwendung. Koranexemplare sind oft in Grün (und Rot) gebunden. Grün gilt auch als die Farbe des Erfolges und des Glücks, der Hoffnung und des Friedens. Wer in Syrien eine „grüne Hand“ hat, der besitzt viel „baraka“ (Segenskraft).

Gelb scheint eher eine negative Konnotation zu haben und gilt als Symbol der Schwäche, der Feigheit, des Neides und des Verrats. Jüdische Minderheiten mußten unter islamischer Oberhoheit in vergangenen Jahrhunderten teilweise gelbe Kleidung tragen.

Rot gilt als Farbe des Blutes und des Lebens, aber auch der Gewalttat, des Leidens und der Gefahr.

Schwarz ist die Farbe des Steins in der Ostecke der Ka’ba, des höchsten islamischen Heiligtums, und schwarz ist auch die Farbe des Tuches, mit dem die Ka’ba bedeckt ist (die Kiswa). Schwarz wird aber auch mit allem Negativen verbunden, mit unaufrichtigen Menschen und schlechten Nachrichten. Schwarz ist die Farbe der Finsternis, des Fluches und der Hölle, daher wird in Teilen der islamischen Welt vermieden, den Begriff für „schwarz“ auszusprechen. Schwarz wird mit Rache und Aufruhr verbunden, so z. B. mit der geschichtswendenden abbasidischen Revolution gegen die Umayyaden 749/750 n. Chr. Eine schwarze Wolke gilt als Zeichen des Zornes Gottes. Schwarz ist allerdings nicht die Farbe der Trauer; in Teilen der islamischen Welt wird weiß als Trauerfarbe aufgefaßt, manchmal auch dunkelblau.

Das Blau des Himmels und des Meeres ist die Farbe der Unergründlichkeit und Unendlichkeit. Blau gilt als Farbe des Unglücks, aber gleichzeitig auch der Abwehr des Unheils. Vor allem in Ägypten ist die Auffassung verbreitet, daß mit einer blauen Perle oder einem blauben Stein die Wirkung des „Bösen Blicks“ abgewehrt wird, der Krankheit und Tod bringen kann.

Ein Leichnam wird vor der Grablegung üblicherweise in weiße Tücher gehüllt, die u. U. schon Jahre zuvor in Besitz des Toten gewesen sein können und die er möglicherweise als Pilgergewand in Mekka getragen hat. Hochzeitskleider sind heute in Anlehnung an abendländische Traditionen vorwiegend weiß. Weiß gilt auch als Farbe der Einheit aller Farben und der Göttlichkeit. Der Körper des Engels Gabriel, der Muhammad die Offenbarung Gottes überbracht haben soll, soll nach der Überlieferung weiß gewesen sein, seine Flügel grün.

Literatur

  • Annemarie Schimmel. Die Zeichen Gottes. München: C. H. Beck 1995; A. Morabia. Lawn. In: Encyclopaedia of Islam Leiden: E. J. Brill, Vol. V, S. 698-707.