Fatwa zu der Frage, ob ein Muslim eine Nicht-Muslima, insbesondere eine Jüdin oder Christin, heiraten darf

Institut für Islamfragen

Vom Rechtsgutachter Dr. Jusuf al-Qaradawi

Erscheinungsdatum: 05. Juli 2001

(Institut für Islamfragen, dh, 02.03.2009)

Frage:

„Darf ein Muslim eine Jüdin oder Christin heiraten?“

Antwort:

„Um diese Frage genau zu beantworten, müssen wir erstens die Gruppen der Nicht-Muslimas aufzählen. Nichtmuslimas könnten sein:

Eine Polytheistin: Der Koran verbietet die Heirat mit ihr: ‚Und heiratet keine Götzenanbeterinnen, ehe sie glauben. Und eine gläubige Dienerin ist besser als eine Götzenanbeterin, mag sie euch auch noch so gut gefallen‘ (Sure 2,221): und: ‚Und haltet nicht am Ehebund mit den ungläubigen Frauen fest‘ (Sure 60,10). Dieser Koranvers und die ganze Sure [Sure 60] besagen, dass eine Gottlose eine Götzenanbeterin ist. Sowohl der Text [des Korans und der Überlieferung] als auch der islamische Konsens [unter Gelehrten] verbieten die Heirat mit einer Polytheistin.

Eine Atheistin: Ich meine damit eine Frau, die weder eine Religion hat, noch an einen Gott glaube, an einen Gerichtstag, das Prophetentum oder ein Buch [einer Offenbarung]. Die Ehe mit ihr ist stärker verboten als mit einer Polytheistin, weil eine Polytheistin wenigstens an einen Gott glaubt. Die Heirat mit einer Atheistin (z. B. mit einer Kommunistin] ist definitiv verboten. Eine [vom Islam] Abgefallene: Allah möge uns davor bewahren. Diese [Frau] ist genau wie eine Atheistin. Wir meinen damit diejenigen, die ungläubig geworden sind, nachdem sie [im Islam] gläubig gewesen waren. Es ändert sich an ihrem Unglauben nichts, egal, ob sie sich einer anderen Religion [als dem Islam] anschließt oder nicht. Es ändert sich auch nichts an ihrem Unglauben, wenn ihre neue Religion eine offenbarte Religion [Judentum oder Christentum] oder eine andere Religion ist.

Als Abgefallener [vom Islam] gilt jeder, der den Islam verlässt, um sich dem Kommunismus, Realismus, Christentum, Judentum, Buddhismus, der Baha’i-Religion oder anderem zuzuwenden. Es ist auch jeder, der den Islam verlassen hat und zu keiner anderen Religion übergetreten ist. Der Islam zwingt keinen Menschen zur Konversion zum Islam. Ein Mensch, der jedoch freiwillig Muslim geworden ist, darf den Islam nicht wieder verlassen. Es gibt Regelungen für das diesseitige wie jenseitige Leben für den Abfall vom Islam. Einer, der vom Islam abfällt, wird in die Hölle fahren. Alle seine guten Werke nützen ihm nichts: ‚Wer sich aber von euch von seinem Glauben abbringen läßt und als Ungläubiger stirbt – das sind diejenigen, deren Taten wertlos sein werden in dieser Welt und im Jenseits – werden die Bewohner des Feuers sein, und darin werden sie ewig verweilen.‘ (Sure 2,217). Einige der Regelungen für das Diesseits bei Abfall vom Islam beinhalten, dass der Abgefallene keinerlei Hilfe oder Unterstützung von seiner muslimischen Gemeinschaft bekommen darf. Ein Muslim darf keine Ehebeziehung mit einer Abgefallenen führen, das gleiche gilt für eine Muslima und einen Abgefallenen. Wer eine Abgefallene heiratet, hat eine ungültige Ehe geschlossen. Falls eine Ehepartnerin nach der Eheschließung vom Islam abfällt, muss sie von ihrem muslimischen Ehemann zwangsweise getrennt werden. Über diese Regelung sind sich alle muslimischen Religionsgelehrten einig, d. h. sowohl diejenigen, die die Hinrichtung als Strafe für den Abfall vom Islam vorschreiben – dies ist die Mehrheit [arab. al-djumhur] – als auch diejenigen, die nur die [lebenslängliche] Haftstrafe für eine vom Islam abgefallene Frau vorschreiben. Dies sehen die Anhänger der hanafitischen Rechtsschule [einer der vier Rechtsschulen des sunnitischen Islam] bei Abfall vom Islam vor. Eine Baha’i: Die Heirat mit ihr ist verboten. Falls sie eine ehemalige Muslima ist, gilt sie als Abgefallene … Falls sie eine ehemalige Christin, Jüdin, Polytheistin o.ä. ist, gilt sie als Polytheistin, weil der Islam ihre ursprüngliche Religion und die Göttlichkeit ihrer ursprünglichen Offenbarung nicht anerkennt. Denn es ist ganz gewiss, dass jedes Prophetentum nach Muhammad abgelehnt und jedes [Offenbarung-]Buch nach dem Koran ungültig ist. Jeder, der behauptet, ein Anhänger einer neuen Religion zu sein, ist nach dem Islam ein Betrüger.

Eine Jüdin oder Christin: Ursprünglich erlaubte der muslimische Konsens die Heirat mit einer Person von den Schriftbesitzern [einer Jüdin oder Christin]. So besagt Sure 5: ‚Und ehrbare gläubige Frauen und ehrbare Frauen unter den Leuten, denen vor euch die Schrift gegeben wurde‘ (Sure 5,5). Der Sohn von Umar [dem zweiten Kalifen nach Muhammads] hat die Heirat mit einer Jüdin oder Christin verboten. In der Überlieferungssammlung von al-Bukhari [dem Überlieferer mit der höchsten Autorität] heißt es, dass er immer, wenn man ihn nach der Heirat mit einer Jüdin oder Christen fragte, antwortete: ‚Polytheistinnen sind verboten für die Gläubigen [Muslime]‘. Damit bezieht er sich auf den Ausspruch Allahs [im Koran]: ‚Und heiratet keine Götzenanbeterinnen, ehe sie glauben‘ (Sure 2,221) und: ‚Ich kenne keine Götzenanbetung, die größer ist als die der Christin, die glaubt, dass Jesus ihr Herr ist.‘ Im Allgemeinen darf ein Muslim eine Jüdin oder Christin heiraten, um ihr den Islam lieb zu machen, um die Beziehungen zwischen Muslimen und den Leuten der Schrift zu stärken und um die Toleranzgrenze zu erweitern und das Zusammenleben zwischen beiden Seiten zu ermöglichen. Als der Islam die Heirat mit einer Jüdin oder Christin erlaubte, berücksichtigte er zwei Punkte:

[Erstens] Die Leute der Schrift haben eine vom Himmel her offenbarte Religion. Sie ähnelt [dem Glauben] der Muslime, denn sie glauben an Allah, seine Botschaften, den Gerichtstag, moralische Werte [usw.]. Das bringt sie dem Islam nah, weil sie [den Islam] ihre Religion – als Ganzes, wenn auch nicht in den Details – anerkennen und ergänzen mit allem, was nützlich und gut ist. [Zweitens] Wenn einer von den Leuten der Schrift mit einem bekennenden Muslim in einer wahren muslimischen Gesellschaft unter dem islamischen Gesetz lebt, wird er beeinflusst und beeinflusst nicht andere. Deshalb wird von ihm erwartet, zum Islam überzutreten. Falls er aber glaubensmäßig nicht zum Islam übertritt – was sein Recht ist, weil es keinen Zwang im Islam gibt – tritt dieser Mensch doch durch seine Anpassung an die Gesellschaft und die Tradition [unbewusst] zum Islam über. Das bedeutet, dass dieser Mensch sich in der muslimischen Gesellschaft auflöst, obwohl er glaubensmäßig kein Muslim wird. Infolge dessen gibt es keinen Grund zu fürchten, dass eine Nicht-Muslima ihren Ehemann oder die Kinder [mit ihrem nicht-muslimischen Glauben] beeinflussen könnte, weil der Einfluss der muslimischen Gesellschaft viel größer als ihre Versuche ist.“

„Schließlich wissen wir, dass die Heirat mit Nicht-Muslimas in unserer Zeit verboten werden sollte, weil sie verschiedene Gefahren heraufbeschwören kann. Sie kann erlaubt werden, wenn es sehr notwendig ist.“

Quelle: www.qaradawi.net/site/topics/article.asp?cu_no=2&item_no=350&version=1&template_id=8&parent_id=12

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